Die Tiere kommen auf sehr unterschiedliche Weise zu den Porträtierten. Manchmal schon, wenn ich mit der Figur beginne, meistens aber erst, wenn ich das Gesicht schon gezeichnet habe und der Rest als Umriß steht. Dazu muss man wissen, dass ich immer mit den Augen beginne und dann den Rest des Kopfes zeichne. Erst wenn das Tier dazukommen soll, skizziere ich mit Bleistift, um mir eine Vorstellung von der Kombination machen zu können. Diese Phase kann unterschiedlich lange dauern. Oft habe ich sehr schnell ein Gefühl dafür, welches Tier passt, und oft brauche ich sehr lange, um ein passendes zu finden.
Mich reizt der Gegensatz, mit einem so billigen und alltäglichen Medium etwas Zartes und Wunderbares wie z.B. ein Vogelgefieder entstehen zu lassen. Mit dem Kugelschreiber verbindet man gewöhnlich, wie ja der Name schon sagt, dass man damit schreibt, und es entspricht mir, dass ich versuche, zeichnerisch etwas mitzuteilen, was ich nicht beschreiben könnte. Für mich ist der Kugelschreiber ein Mischding zwischen Bleistift und Radierung. Man kann damit zeichnen und schraffieren, aber wie bei einer Radierung arbeitet man ohne Netz, jeder Strich bleibt und kann nicht rückgängig gemacht werden. Gerade bei meinem sich wiederholenden Sujet ist ein gewisses Risiko erwünscht, denn es sind häufig die “Fehler“, die mich inspirieren und durch die für mich Überraschendes entstehen kann.
Ich denke, meine Zeichnungen sind auf eine tiefgründige Art psychologisch. Die Figuren bieten sich als Projektionsfäche an, und somit können sie nur das auslösen, was im Betrachter angelegt ist. Aber der Mensch und seine Abgründe haben mich immer schon beschäftigt und aufgrund einer diagnostizierten bipolaren Störung kenne ich selbst extreme emotionale Zustände. Intensive Hochgefühle und tiefste Niedergeschlagenheit sind mir, neben psychotischen Schüben, vertraut. Die ersten Zeichnungen sind vor dem Ausbruch der Erkrankung entstanden, aber der Schrecken, den ich dadurch kennengelernt habe, muss schon irgendwo in mir angelegt sein. Oder wie Thomas Melle, ein deutscher Schriftsteller, der seine bipolare Erkrankung in einem Buch beschrieben hat, in einem Interview sagt: „Das Schreiben war eine Art, den üblen Dingen eine andere Form zu geben, sie damit zu bannen.“ Dabei übersetzte ich für mich die „üblen Dinge” mit Angst, Verwirrung oder Unsicherheit und als Therapeutin sehe ich darin auch große Chancen.
Ich bin sehr dankbar, dass ich einen Weg gefunden habe, um meine Auseinandersetzungen mit diesen Themen in beruflicher und künstlerischer Hinsicht integrieren zu können. Dafür waren das Studium, sowie das kontinuierliche Zeichnen hilfreich.
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