„Eine künstlerische Entdeckung sind die Zeichnungen von Verena Kammerer. Die Nähe zum Surrealismus, zu obsessiven dunklen Seiten, ist augenfällig. Das Tier als Symbol des Anderen im Menschen weist auf Regionen zwischen Traum und Wirklichkeit hin. Der Blick wirkt wie bei den Malern der neuen Sachlichkeit starr in das Jenseits der „normalen“ Welt gerichtet.“
„Das Problem, das sich in den Zeichnungen ohne Aussicht auf Lösung stellt, ähnelt dem, das mir im täglichen Leben begegnet, ohne daß es mir als solches noch bewußt wird. Ich bin umgeben von Dingen, deren Herkunft mir fremd bleiben muß, deren Nebeneinander mir absurd erscheinen müßte, die mir angepriesen, aber nicht vermittelt werden. Sie sind starr in dem Sinn, daß sie sich nicht mir anpassen, sondern nur einer Objektivierung meiner selbst. Dennoch berühre ich sie gedankenlos.“
„Es geschieht ja fast nichts auf diesen Zeichnungen, außer dieser Anordnung von Tier und Mensch, die sich wie die Erinnerung oder wie ein Hund hinlegt, wo sie will. Es geschieht fast nichts außer dieses wiederholte Variieren und Modulieren der zeichnerischen Bausteine wie Fragmente. Und doch geschieht auf diese Weise etwas Unermessliches und Unerhörtes, das die Zeichnerin meidet zu begründen, sondern es unerschrocken anheimstellt.“
Die Kleidung, das streng gekämmte Haar, die Posen der einstigen Porträtfotografie mit dazu abgebildetem Tier lassen auf verblichene Zeiten schließen, aber etwas stimmt nicht an den Figuren, den Blicken, der starren Haltung; in den Bildern herrscht eine Spannung zwischen dem was, preisgegeben wird, und dem, was verborgen bleibt.“
„Die von den Surrealisten praktizierte Technik der unzensierten Darstellung des Unbewußten ist auch die transformierende Kraft in Kammerers “beiläufig, nebenher (absichtslos)” entstandenen Zeichnungen. Um es mit Kafka paraphrasierend zu sagen: Die Grenze zwischen dem gewöhnlichen Leben und dem Schrecken zittert darin fortwährend.“
„Kammerers Zeichnungen folgen dem immer selben Schema: Eine oder mehrer Personen sind mit einem Tier oder Insekt abgebildet, wobei hier immer eine Verschiebung der Maßstäbe statt findet. Die Arrangements wirken zusätzlich surreal durch eine Bildästhetik, die an Stillleben erinnert. ... Die Bilder scheinen hierbei, trotz konstanter Detailverliebtheit, sowohl aus der Zeit, wie auch aus der Realität gefallen, was ihren besonderen Reiz ausmacht.“
„Die Kunst von Verena Kammerers Kunst verlässt sich auf die Ordnung wider besseres Wissens. Und sie tut das in sicherer Absicht und Manier. Denn sie weiß um die Doppelläufigkeit der Dinge und um die Zwillingsexistenz, in der ein Mensch einer ist und ein anderer und in der er in gleicher Entfernung zu sich wie zu einem anderen steht oder zu einem Käfer, Hermelin oder Grauhörnchen. Da ist die Ferne zueinander auch schon ihre Nähe und die merkwürdige Zusammenfügung auch schon ihr Zusammenhang.“
„Die Künstlerin sucht den Betrachter nicht durch unterschiedliche Zugänge zu beeindrucken, weder die Technik noch das Sujet haben sich über die Zeit verändert. „In dieser stilistischen Begrenzung habe ich größtmögliche Verdichtung und gleichzeitig genügend Raumlassendes gefunden“, schreibt Kammerer und verweist damit auf eine Formensprache, die Elaboriertes und in der Tendenz Artifizielles mit Skizzenhaftem zu verbinden weiß.“
„Wen man als Portraitierter dort anblickt ist eigentlich: sich selbst. Man blickt auf sich, bemüht, alle Zufälligkeiten abzustreifen, damit ein Wesentliches von sich einen aus dem Photo heraus ansehe. Im Augenblick, da sich der Verschluss öffnet, macht man sich so zur Vergangenheit. Die Angst von Naturvölkern, der photographierten Person würde ein Teil der Seele entrissen werden, steht wohl damit im Zusammenhang. Und auch noch im frühen photographischen Jargon wird das Bild auf die Platte gebannt.“
Den Betrachter überzeugt die Präzesion der Zeichnungen und ihre eigentümliche Anziehungskraft. Die Proportionen zwischen Mensch und Tier sind verschoben. So, als wäre das Tier, das sie in den Händen halten oder das sie bewacht, das Innerste, das sich nach außen kehrt.“
„Es entstehen Zusammenhänge und Berührungen, die man in ihrer Merkwürdigkeit zunächst nicht verstehen und sogar in jene Ferne zurück verweisen möchte, aus der sie zu kommen scheinen. Denn da stehen, wie zur Verdoppelung, den Menschen fast mannsgroß Tiere zur Seite und in ähnlich traumhafter Art wird das Kleine in den Zeichnungen von Verena Kammerer groß und etwas Großes seltsam klein, das Familiäre monströs und Kindliches skurril.“
„Die auf dem Kopf gestellten Größenverhältnisse lassen die Tiere monströs groß erscheinen. Aller wissenschaftlichen Systematisierung zum Trotz, wirken sie wie wieder erwachte Monströsitäten, die die Rationalität der Moderne hinter ihrem Rücken ausbrütet. Wir werden sie nicht los, wir wollen es nicht einmal. Sie gehören zu uns. Von lange und weit her. Und vielleicht sind sie unser Schutz.“
„Kammerers Menschenwesen scheinen aus einer anderen Welt zu kommen, es sind Menschen von gestern, die die Zeit überspringen und uns Heutigen prüfend ins Gesicht sehen, als wollten sie sagen: Es ist immer noch so wie damals, aber wie ist es? Ein „unausgesprochenes Geheimnis“ umgibt die Verschlossenheit ihrer Gesichter.“
„Die Tiere scheinen in ihrer realistischen Darstellung den Weg aus den Büchern der Biologie genommen zu haben. Die Menschen sehen zunächst wie abgeschaut aus, aus der
Porträtfotografie der Jahrhundertwende. Beim Übertritt ins Bild allerdings gibt der Kugelschreiber ihnen den tiefen Blick und eine Rückung der Proportionen. Das macht für mich das aus, was Verena Kammmerer das „Bannen“ der Gefühle in ihren Bildern nennt.“

Schreiben sie mir gerne eine E-Mail an kammererverena@gmail.com
oder senden sie mir eine Nachricht auf Instagram.